Für immer wir alle zusammen
MDR und SR, 2022, Regie: Stefan Kanis
An anderer Stelle dieser Webpräsenz heißt es vom Autor, es gebe von ihm ein Dutzend Biografien. Allen gemeinsam ist, dass sie im Nachhinein konstruiert sind und erzählt werden. Schon Konfuzius soll gesagt haben, die Erfahrung sei wie eine Laterne, die stets das Stück Weg beleuchte, das hinter uns liegt. Biografien erzählen rückwärts, während das Leben vorwärts stattfindet.
Um die unvermeidliche Konstruiertheit rückblickender Lebenserzählung zu vermeiden, erzählt das Hörspiel Für immer wir alle zusammen die Lebensgeschichten der Protagonisten nicht retrospektiv von 2035 aus, sondern begleitet sie durch die Zeit – angefangen am Tag des Abiballs 2022 bis zum selben Tag im Jahr 2035.
Am 8. Juli 2022 verabreden die sechs Abiturienten Merle, Finja, Clara, Helena, Lennox und Jonah in einer Jägermeisterlaune, dass sie sich jedes Jahr an diesem Tag eine Sprachnachricht senden werden: Keep you posted bis 2035, erstmal. Und am 8. Juli 2035 wollen sie sich treffen – in Jena Paradies, wo alles beginnt.
Die große Geschichte dieser dreizehn Jahre wird eines Tages die Geschichtsschreibung erzählen (heute bräuchte man dafür eine Glaskugel). Das Hörspiel bescheidet sich damit, den Widerschein historischer Prozesse in den Tautropfen der einzelnen Leben einzufangen. Oder ist es in Wahrheit so, dass große Geschichte allererst aus dem Kaleidoskop der Tautropfen entsteht? Man darf jedenfalls gespannt sein auf die Wiederholung der Sendung im Sommer 2035 – falls es dann noch lineares Radio mit Hörspielsendeplätzen gibt.