Linie 912
Kinderhörspiel Ursendung WDR 2020 Regie: Annette Kurth
Thilo R. wuchs im Wald auf. Von dort fuhr er morgens mit dem Bus in die Stadt zur Schule und nachmittags mit dem Bus nach Hause. Zusammen mit allen anderen Kindern, deren Eltern im Waldkrankenhaus arbeiteten. Thilo liebte das Busfahren, auch als sein Schulweg länger wurde und er morgens eine Dreiviertelstunde im Bus saß. Denn mit den Freunden, die nach und nach einstiegen, war es nicht selten die schönste Stunde des Tages. Jedenfalls bis zur Rückfahrt. Was der Schüler Thilo damals nicht wusste: Dass er eines Tages über das Busfahren schreiben würde. Und was der Autor Reffert, als er anfing zu schreiben, nicht wusste: dass ihm nun jeder Bus vorkommem würde wie ein fliegender Teppich, gewebt aus lauter Lebensfäden.
Es ist eine Situation, wie sie alltäglicher nicht sein könnte: Morgens halb acht, der Bus kommt. Am Steuer der Busfahrer, hinten im Bus zwei Fahrgäste. Dann steigt ein Junge ein, später ein Mädchen, schließlich eine Frau mit ihren kleinen Kindern. Ein Mann steigt aus. Eine Frau fährt nicht mit. Zwei Kinder steigen aus, kurz vor acht. Der Bus fährt weiter. So erzählt gleicht die Geschichte weißem Licht. Und wie weißes Licht all die Millionen Farben enthält, so fächert sich auch diese halbe Stunde Alltag auf, wenn man sie durch das Prisma verschiedener Perspektiven sieht.
Linie 912 ist ein Hörspiel darüber, wie verschieden wir die Welt wahrnehmen, von der wir immer nur einen Ausschnitt kennen, nämlich den, in dessen Mittelpunkt unsere eigene Nase steht, ohne dass wir darauf achten.