Eine Diagnose
Erstmals in dem Band Goldgören beschrieben, später auch im Stück Mr. Handicap verarbeitet hat Thilo Reffert ein Syndrom, dem noch immer kaum Aufmerksamkeit zuteilwird: das Aufräum- und Ordnungsschwäche-Syndrom AOS.
Es handelt sich dabei um eine Defizitose mit unklarer Ätiologie. Genetische Ursachen, soziale Verstärkung sowie Reaktanz werden diskutiert, anekdotisch werden sogar Fälle von Ansteckung berichtet. Das Spektrum der Symptome reicht von kaum wahrnehmbarer Unordnung (Bett nicht gemacht, Taschentuch vergessen) bis hin zu spektakulärem Chaos, u.U. mit Entstehung neuen Lebens. AOS ist endemisch in Kinderzimmern, fallweise auch in Büros oder Gartenschuppen. Eltern neigen zur Konfrontationstherapie (»Du räumst diese Sauerei sofort auf!«) oder zu familientherapeutischen Maßnahmen (»Das müssen wir morgen aber aufräumen.«) mit jeweils ungünstiger Prognose. Die Betroffenen selbst leiden kaum unter ihrer AOS, werden aber von ihrer Umwelt als »schlampig« stigmatisiert. Dies führt zum häufigsten Behandlungsfehler, dem mess-shaming.
Thilo Reffert hat daher AOS-Ausweise erstellt, die hier heruntergeladen werden können. Den Grad der Ausprägung können nur die Betroffenen selbst einschätzen, er ist deshalb entsprechend anzukreuzen.
AOS-Betroffene können weder Ordnung noch Unordnung als solche erkennen. AOS-Betroffene verstehen das Konzept des Aufräumens nicht. Ihnen und ihren Familien ist die Online-Ausstellung »Aufgeräumt« gewidmet.
Aufgeräumt, endlich herrscht Ordnung!